Geistliche Impulse
Winterblume
Liebe Gemeindeglieder,
jedes Wort verbreitet ja seinen Klang und schafft eine Atmosphäre. Höre ich ‚Winter‘, dann fröstelt es mich vielleicht ein wenig und ich denke an eine weiße Landschaft, höre meine Schritte durch den Schnee stapfen. Das Wort ‚Blume‘ ruft bei mir ganz andere Eindrücke hervor. Irgendwie klingt es nach Sommer und Bienengesumm, ich lege mich in eine Wiese und schaue den Schmetterlingen zu. Kurzum, es sind zwei Worte, die im Menschen zwei Welten entstehen lassen. Doch was passiert, wenn beide Worte zu einem werden: ‚Winterblume‘?
Ich würde mal sagen, dann passiert etwas Neues. Fast könnte man denken, die Christrose auf unserer Titelseite passt eigentlich nicht in die Welt. Als Winterblume macht sie sich in einer Zeit bereit, zu der normalerweise keine Blumen blühen. Unerhört! Ich bin verwirrt, diese Pflanze eröffnet ein völlig neues Feld. Was soll ich bitteschön mit einer Winterblume anfangen? Sie ist sozusagen weder ‚Sommer‘ noch ‚Winter‘, weder ‚Fisch‘ noch ‚Fleisch‘. Doch wenn man beginnt, einmal darüber nachzudenken, sieht man tatsächlich etwas Neues. Sind es nicht gerade die ‚unpassenden‘ Dinge, welche uns aufmerken lassen? Sie nötigen uns, eine neue Sichtweise auszuprobieren, denn sie passen eben in keine vorhandene Kopfschublade.
Also gut, dann probieren wir mal. Die Christrose sagt zu mir: „Auch jetzt, wo alles friert und sich zurückzieht, erblühe ich als neues Leben. Du siehst es vielleicht nicht so klar wie im Frühjahr und doch ist es da. Das neue Leben wächst im Verborgenen, so wie ich den Schatten liebe. Dafür bin ich unkompliziert und klar, die einzige Blume weit und breit. Du musst Dich nicht inmitten sommerlicher Fülle entscheiden. Ich bin da, und das ist außergewöhnlich genug.“
Wenn ich meiner Winterblume so zuhöre, dann verstehe ich auch etwas von Gott und seinem Wirken in der Welt. Gott ist mit neuem Leben da, selbst wenn ich nicht damit rechne. Vielleicht überrascht er mich – wie es eine Blume im Winter tut. Ganz so, wie Gott damals im Stall zu Bethlehem Mensch wurde. Auf den ersten Blick vielleicht ein etwas unpassender Ort für den Weltenkönig. Und doch hatte er es sich genauso ausgesucht und wurde von den Menschen auch gefunden. Ein ungewöhnlicher Gott will er also sein. Er lässt sich dort sehen, wo man gar nicht mit ihm rechnet. Gut zu wissen! Also: Die Augen offenhalten.
Ihr Pastor Eichhorn
Quelle: Gemeindebrief Nr. 1 / 2024-25
Quelle: Gemeindebrief Nr. 1 / 2024-25
Lebenskunst
Liebe Gemeindeglieder,
einen schönen Pfad zeigt unser Titelbild. Im Amtsgarten auf Schloss Landestrost kann man ihm folgen. Mich inspiriert er zu Gedanken über das menschliche Leben, welches von alters her ins Bild des Pfades gefasst wird: Im Leben bin ich ja unterwegs. Der Pfad im Amtsgarten wurde in jahrzehntelanger Anstrengung erschaffen. Da hat sich ein Gärtner frühzeitig Gedanken gemacht, wie es einmal werden soll und Jahr für Jahr entsprechend beschnitten. Ganz so machen es viele Menschen im Leben. Spätestens bei der Konfirmation wirst du gefragt, was du einmal werden möchtest und schlägst dann deinen Pfad ein. Nach Ausbildung oder gar Studium ‚bist‘ du dann schon etwas geworden und kannst davon leben. Das ist dann so, als hättest du auf dem Pfad im Amtsgarten einige erste Schritte gemacht und dieses schützende Blätterdach über dir wachsen lassen. Darunter findest du Geborgenheit.
Dein Leben geht weiter und du lässt über deinem Pfad immer mehr wachsen, das zu dir gehört: Eine Familie, einen Beruf, vielleicht ein eigenes Haus. Irgendwann kannst du als älterer Mensch auf diesen Pfad zurückblicken und es sieht dann so aus - wie auf unserem Titelbild. Hier hast du vom Anfang des Pfades eine ähnliche Perspektive wie vom Ende; die lange Gerade im Amtsgarten macht’s möglich. Freilich eine ideale Sichtweise, denn in Wahrheit sind menschliche Lebenswege ja von Kurven, Brüchen und Wüstenabschnitten geprägt. Wahrscheinlich wird dein Lebenspfad nicht derart glatt und harmonisch ausschauen, wie der Amtsgarten es vorsieht. Und doch lehrt diese besondere Perspektive etwas über unsere Leben.
Sie zeigt unsere Wünsche und Ideale. Wenn ich als junger Mensch das Leben vor mir sehe, möchte ich vielleicht, dass alles glatt und gradlinig verläuft, ich meine Ziele erreiche. Und als Älterer hätte ich es möglicherweise gern, dass im Rückblick ein roter Faden meines Lebens erkennbar ist und das Ganze Sinn macht. Wir Menschen sind so gestrickt, dass wir unser Leben deuten und als Einheit verstehen möchten. Gleichzeitig zeigt uns die tatsächliche Erfahrung, dass dies nicht immer möglich ist. Wer ein derart gradliniges Leben wie im Amtsgartenpfad führen konnte, der möge sich bitte beim Pastor melden! Wir würden dann seine vorbildliche Biographie veröffentlichen und das wäre für mich schon ein kleines Wunder. Denn bisher ist mir solches nicht untergekommen.
Vorläufig empfehle ich daher, auf dem Lebenspfad Gottes Spuren zu suchen. Im Amtsgarten wären das alle grünen Blätter: Momente, in denen Gott mich behütet und bewahrt hat. Zeiten, in denen er etwas wachsen ließ, das ich einst gesät hatte. Und vor allem der kühle Schatten seiner Liebe inmitten einer erhitzten Welt. All dies kann vom Anfang wie vom Ende des Pfades hergeschaut werden. Denn Gott ist dir in jedem Augenblick des Lebens treu.
Ihr Pastor Eichhorn
Quelle: Gemeindebrief Nr. 4 / 2024
Quelle: Gemeindebrief Nr. 4 / 2024
Lächeln
Liebe Gemeindeglieder,
mit den Jahreszeiten ist das so eine Sache. Früher waren sie recht klar erkennbar. Heute weiß man nicht mehr so genau, ob das Frühjahr schon vorbei ist oder der Sommer noch auf sich warten lässt. Die Jahreszeiten sind aus dem Takt, wie die ganze Welt. Persönlich schaue ich ja immer aufs Kleine, wenn das Große mich verwirrt. Daher sind mir Blumen in den letzten Jahren immer lieber geworden. Ich weiß mittlerweile, wo bestimmte Blumen im Pfarrgarten wohnen und warte auf ihr Erwachen. Irgendwann haben sie dann ihre Zeit und lächeln mich an. Ich sehe nicht mehr die Jahreszeiten, sondern die Zeiten der Blumen. So bekommt das Jahr für mich wieder eine Ordnung. Blumenzeit, sozusagen.
Ich spüre, dass mir die vielen kleinen Begegnungen mit Blumen gut tun: Freundliche Wesen, die einfach da sind und mich anlächeln. Bei schlechtem Wetter oder plötzlicher Kälte verschließen sie sich und warten - wie ich selbst - auf die Sonne. Vielleicht braucht der Mensch heutzutage solche Freunde, die ihm konstant Gutes tun. Beständige Wesen, die immer gut gelaunt sind und vor allem friedlich. Na klar, ich merke jetzt schon, dass ich ins Schwärmen gerate. Auch sehe ich wahrscheinlich manches in den Blumen, das ich selbst gern hätte. Ja genau, wie eine Blume sein und aus tiefstem Herzen immer lächeln können! Das wär’s.
Doch bin ich nur ein Mensch und versuche jetzt, das Beste daraus zu machen. Ganz wie einstmals der amerikanische Dichter Emerson. Er sah im Lächeln der Blumen noch etwas Größeres: Hier lächelt Dich die ganze Erde an! Und wo eine Erde ist, da sehe ich auch einen Schöpfer. Einen, der auf seine Erde achtgibt und sie nicht einfach gierigen Menschen und ihren bösen Taten überlässt.
Freilich weiß ich nicht, wie der Schöpfer das macht. Als Mensch müsste ich eher verzweifeln und Angst haben, dass die Erde den Bach runter geht. Persönlich finde ich ja, dass wir Menschen im Bewahren der Schöpfung am Ende unseres Lateins angelangt sind. Dennoch glaube ich, dass Gott da ist und seine Schöpfung bewahrt. Ich gehe davon aus, dass ER wirkt, selbst wenn ich das nicht klar erkennen kann. Und hier kommen wieder die Blumen ins Spiel. Manchmal scheint es mir, als lächelt mich da der Schöpfer an.
Ihr Pastor Eichhorn
Quelle: Gemeindebrief Nr. 3 / 2024
Spatz
Liebe Gemeindeglieder,
von anderen Wesen lernen. Das mache ich gerne, wo ich jetzt älter werde; bin ihnen einfach mehr verbunden, wo meine menschliche Schwäche sichtbarer wird. Wer nicht mehr überall der Erste sein kann, schaut eher mal, wer sonst noch so unterwegs ist.
Zum Beispiel die Spatzen. Jesus meinte ja: „Seht die Vögel unter dem Himmel an…“ Mir fällt da die schlichte Tracht des Spatzen auf. Er betreibt nicht so viel Aufwand im Federkleid wie andere Vögel. Einfach, praktisch und zweckdienlich. Ein Spatz fällt weder in der Stadt noch auf dem Feld besonders auf. Eigentlich sehr gut! Sich auf das Wesentliche beschränken; wo auch bei uns Menschen jetzt alles knapper wird. Sich einfügen in das große Ganze. Schauen, was du wirklich brauchst und worauf du getrost verzichten kannst.
Worauf der Spatz nicht verzichtet: Sehr deutlich seine Meinung zu sagen. Eben das sprichwörtliche ‚Schimpfen‘ der Spatzen. Da merkt man dann, was sich hinter seiner unauffälligen Fassade verbirgt und beizeiten auch brodelt. Das gefällt mir! Sich einmischen, wenn was schiefläuft in dieser Welt. Mitmachen in unserem Land. Diese Erde nicht einfach den Leuten ‚da oben‘ überlassen, denn die kriegen es ja offensichtlich nicht gebacken.
Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass diese Leute zu kompliziert denken. Damit machen sie im Laufe der Zeit auch unsere Welt immer komplizierter. Ich behaupte hiermit öffentlich, dass die Welt im Grunde einfach ist, wenn man sich auf Wesentliches konzentriert. Nur muss das heute einer ‚von unten‘ sagen; so wie unser Spatz. Am besten wäre es, wenn viele von seiner Art das täten.
Die Chancen dafür stehen gut, denn bekanntlich sind Spatzen sehr rege, beizeiten auch mutig und geradezu frech. Das müssen sie auch, denn sie sind ja die ganze Zeit da draußen unterwegs. Sie nähren sich im Fluss ihres schlichten Daseins. Spatz sein heißt, ohne aufwändige Nester und andere Sicherheiten durchs Leben zu kommen. Eigentlich so, wie Jesus das bei Lebzeiten auch gemacht hat. Denn sein Blick auf die Vögel ist ja dieser: „… sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“
Wie wäre es, wenn wir uns davon eine Scheibe abschneiden? Mehr Gottvertrauen wagen und Neues ausprobieren. Nicht so sehr darauf schauen, was wir verlieren, sondern was es zu gewinnen gibt. Einfach wie die Spatzen.
Ihr Pastor Eichhorn
Quelle: Gemeindebrief Nr. 2 / 2024
Quelle: Gemeindebrief Nr. 2 / 2024
Laternen
Liebe Gemeindeglieder,
ein Licht zum Mitnehmen – ‚to go‘ wie man heute sagen würde: Das ist ursprünglich die Laterne. In der Gemeinde benutzen wir sie das ganze Jahr über, nämlich am Eingang von Kirche und Gemeindehaus, wenn dort etwas los ist. Ansonsten sind Laternen eher nostalgisch. Jüngere Leute haben ihr Licht eigentlich nur noch im Smartphone dabei und Ältere kennen zusätzlich die obligatorische Taschenlampe im Haus. Formen wandeln sich, doch es bleibt die alte Idee: Ein Licht zum Mitnehmen.
Das braucht man besonders in der dunkleren Jahreszeit, wenn es früher dämmert und am Morgen spät hell wird. Gerade in diesen Übergangsphasen ist ein Licht zum Mitnehmen sehr hilfreich. Damit kann sich der Mensch orientieren und auch in der Dunkelheit etwas finden. Überhaupt spielt sich ja unser ganzes natürliches Leben im Wechsel von Licht und Dunkelheit ab. Ein Rhythmus, den wir unbedingt brauchen, weil sich unser Organismus daran gewöhnt hat. Der Leib fühlt sich am wohlsten, wenn dieser natürliche Wechsel beachtet wird und wir ihn nicht zu grob mit künstlichem Licht durcheinanderbringen.
Selbst achte ich auf das Verhältnis von Licht und Dunkelheit im menschlichen Leben besonders. Denn was sich da im täglichen Rhythmus der Natur abspielt, gibt ja auch ein Bild für unser Dasein in der Weltgeschichte. Ich finde nämlich, dass man auch von lichten und dunklen Zeiten sprechen kann. Damit meine ich größere geschichtliche Zusammenhänge, in denen wir stehen. Die können sich vom privaten Erleben zwar durchaus unterscheiden: Da kann ein Mensch im eigenen Haus und Hof glücklich leben, obwohl anderswo Kriege und Katastrophen ihren Lauf nehmen. Doch selbst wenn dies weit weg geschieht, hat jeder Mensch auch Anteil an zeitgeschichtlichen Entwicklungen.
Meine persönliche Wahrnehmung ist nun, dass die Welt gerade in ein dunkles Zeitalter eintritt. Seit einigen Jahren finde ich, dass auf unserem Globus die bedrohlichen Ereignisse zunehmen. Insgesamt erfährt man aus der großen weiten Welt immer weniger Ermutigendes. Und je länger das so ist, desto weniger bewerte ich es übrigens. Ich nehme es als Tatsache zur Kenntnis und erkenne zugleich, wie wichtig da ein Licht zum Mitnehmen ist. Ich spreche von einem Licht, das im menschlichen Herzen wohnt.
An Weihnachten ist uns Menschen so ein Licht geschenkt. Gott selbst entzündet es - das ist wichtig. Mein Licht im Herzen hängt nicht daran, dass ich selbst es am Leben erhalte. Ursprünglich kommt es von Gott und wird von ihm beständig genährt. Es leuchtet unabhängig davon, wie es gerade in der Welt aussieht. Gott gibt durch das menschliche Herz seinen hellen Schein. Teilen wir ihn miteinander.
Ihr Pastor Eichhorn
Quelle: Gemeindebrief Nr. 1 / 2023-24
Quelle: Gemeindebrief Nr. 1 / 2023-24
Geben
Liebe Gemeindeglieder,
wie schön im Titelbild des Gemeindebriefs die Gaben auf dem Altar anzuschauen sind. Menschen geben etwas von dem, was ihnen zum Leben dient. Lebensmittel, meist in Brotkästen, Schränken und Vorratsräumen gelagert, kommen da ganz groß raus! Alltägliche Güter, sonst auf Frühstückstischen versammelt, stehen auf dem Tisch der Kirche. Der Altar ist nichts anderes: Ein Tisch zwischen Himmel und Erde. Unser schlicht geschnitztes Drumherum in der Husumer Kirche bringt dies zum Ausdruck, achten Sie beim nächsten Besuch einmal darauf: Oben die Engelchen in den Wolken und unten auf Erden ein Tisch mit Buch und Kerzen.
Menschen bringen Lebensmittel auf diesen besonderen Tisch. Wenn ich solches tue, will ich etwas ausdrücken. Vielleicht bin ich dankbar für alles, was auf Erden wächst. Dankbar für dieses Wunder, gerade angesichts mancher Bedrohungen. Ich empfinde Dankbarkeit und möchte sie aktiv zeigen. Also packe ich einige gute Dinge ein und bringe sie zum Altar. Ich gebe sie auf diesen Tisch zwischen Himmel und Erde. Ich lasse sie dort. Sie sind jetzt nicht mehr bei mir, sondern im größeren Ganzen. Sie werden von Gott gesehen und kommen bedürftigen Menschen zu.
Warum machen wir Menschen so etwas? Warum ist es eine schöne Erfahrung, lebensnotwendige Dinge wegzugeben? Es steckt so viel Arbeit in unseren Lebensmitteln. Von der Urbarmachung eines Ackers bis zum gebackenen Brot ist es ein langer, schweißtreibender Weg. Und dann einfach weggeben? Ja, einfach weggeben. Wir können dies. Obwohl wir meist denken, dass es auf Erden vor allem ums Sammeln geht: Wir arbeiten hart, verdienen Geld, sparen, bauen Häuser, kaufen Autos und haben dann das Gefühl, uns etwas aufgebaut zu haben. Das ist die eine Seite der menschlichen Natur. Und auf der anderen Seite geben wir einfach gern. Ich spreche jetzt nicht vom ‚schlauen‘ Geben, welches insgeheim eine Gegenleistung erwartet. Nein, ich spreche vom ‚einfach so‘ Geben, ohne Erwartung. Solch ein Geben ist schön und edel. Dabei empfinden wir wahre menschliche Größe, ein Stück vollkommenen Lebens.
Der Altar in der Kirche ist also ein perfekter Ort zum Geben. Der Mensch wächst hier über seine Beschränkungen hinaus und wird mit Gott innerlich größer. Ein guter Anfang für das tägliche Leben außerhalb der Kirche. Denn Geben ist ein lebenslanges Werden, der Mensch wächst da hinein. Immer wieder finden sich Gelegenheiten, anderen Menschen etwas zu geben: Sorgen anhören, Rat geben, mit anpacken oder einfach nur dabei sein und die gesellige Runde bereichern. All dieses Geben stärkt meine Verbindung mit Gott und ich wachse über mich hinaus. Achten Sie also auf Ihre nächste Chance, sie ergibt sich wahrscheinlich noch heute 😉.
Ihr Pastor Eichhorn
Quelle: Gemeindebrief Nr. 4 / 2023
Quelle: Gemeindebrief Nr. 4 / 2023
Sehen
Liebe Gemeindeglieder,
neulich wartete ich am Frankfurter Flughafen auf einen lieben Menschen. Da ich noch etwas Zeit hatte, schlenderte ich durch die Gänge und Hallen. Auf meinem Streifzug entdeckte ich einen Gebetsraum. Über seinem Eingang sind Zitate in unterschiedlichen Sprachen gedruckt. Eines geht mir nicht mehr aus dem Kopf: „Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken.“ Der Musiker Carlo Karges von der Rockband Novalis hat so gedichtet. Ich frage mich: Kann ich diese Fähigkeiten tatsächlich erlangen? Wie geht das?
Grundsätzlich schon, würde ich sagen! Denn als Mensch habe ich ja Phantasie: Ich sehe die Schmetterlinge munter im Garten tanzen und stelle mir vor, wie sie lachen. Ich kann ihr Lachen in meinem Kopf hören. Für diese persönliche Erfahrung ist es gar nicht mehr so wichtig, ob die Schmetterlinge tatsächlich Schallwellen durch den Raum senden. In meinem Gehirn ist ihr Lachen lebendig. Genauer gesagt: Ich kann im Geiste ihr Lachen hören, weil ich selbst lächeln muss. Ich schließe von meinem Lachen auf das Lachen der Schmetterlinge. Kraft meiner Phantasie bin ich den schönen Tierchen verbunden. Wir lachen gemeinsam und freuen uns mitten in der Natur.
Ich finde, dass wir Menschen heute mehr derartige Erfahrungen brauchen. Einfache Erlebnisse, die unsere Welt nicht noch weiter durch-einanderbringen und die Seele nähren. Etwas zutiefst Schönes, das ausnahmsweise mal nichts kostet! Das Lachen der Schmetterlinge führt mich zu meinen Ursprüngen: Ich bin ein lebendiges Wesen, dass auf dieser Welt umherwandelt und sich mit anderen Wesen freut. Mehr braucht es eigentlich nicht. Mit den Schmetterlingen fallen alle Kompliziertheiten und Verstrickungen der Zivilisation von mir ab. Eine kleine paradiesische Erfahrung, die meinen Lebensmut stärkt. Davon brauchen wir ja eine ganze Menge in diesen wechselhaften Zeiten.
Und so wie der Dichter es beschreibt, geht diese Kunst ja weiter: „Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken.“ Ich kann alle meine Sinne an der Natur schulen und sie erweitern. Probieren wir das doch mal mit den Blumen auf unserem Titelblatt: Ich weiß, wie Sonnenblumen die Welt sehen! Sie haben einen weiten Blick und ein großes Auge. Sie können sehen, wie alles miteinander verbunden ist. Sonnenblumen wissen daher, wie man sich gut in das große Ganze einfügt. Sie würden anderen Wesen nicht schaden, sondern möchten Freude schenken. Die Kraft dazu bekommen sie von der Sonne, dem mächtigsten aller Wesen und Ursprung allen Lebens. Die Blumen möchten eine kleine Sonne auf Erden sein.
Ihr Pastor Eichhorn
Quelle: Gemeindebrief Nr. 3 / 2023
Quelle: Gemeindebrief Nr. 3 / 2023
Ein Tag
Liebe Gemeindeglieder,
manche Lebensweisheiten überdauern Jahrtausende. Zum Beispiel dieses lateinische Wort: „Carpe diem.“ Als ich es in meiner Jugend zum ersten Mal kennenlernte, übersetzte man noch ganz selbstverständlich: „Nutze den Tag.“ Damals so gemeint, dass man am Tag etwas Sinnvolles tun sollte, gern auch arbeiten oder ein sichtbares Ergebnis hervorbringen mochte. Wenn man heute im Internet gängige Übersetzungen anschaut, begegnet einem meist: „Genieße den Tag.“ Sie merken, da hat sich etwas verschoben! Während die Leute früher vor allem den Anspruch hatten, fleißig zu sein, will man heute eher seinen Lebensgenuss kultivieren. Lateinische Lebensworte werden also in jeder Zeit anders verstanden. Die Menschen spiegeln am uralten Wort ihre eigenen Sehnsüchte. Sie übersetzen so, wie ihnen das Leben erstrebenswert scheint.
Die lateinische Wortwurzel meint ursprünglich „pflücken“. Eigentlich ein sehr schönes Bild, mit dem man an jedem Morgen etwas anfangen kann: „Carpe diem – Pflücke den Tag.“ Der Tag liegt dann vor mir wie eine Frucht, die ich ergreife und mich daran nähre. Und wie ich in der Natur nicht selber für das Wachstum sorgen kann, so liegt auch der Tag nicht in meiner Hand. In beiden Fällen empfange ich die Frucht. Für mich als Christen kommt dann mein Glaube hinzu: Gott ist der Ursprung allen Lebens. ER lässt es wachsen, im Garten vor meiner Tür und im Garten des täglichen Lebens. Allein wenn man darüber nachdenkt, kann dies schon ein wenig Gelassenheit schenken.
Wie so oft im Leben kommt es aber letztlich nicht aufs Nachdenken, sondern auf die Praxis an. Mit welchem Bewusstsein stehe ich denn morgens auf? Oft genug freut man sich da nicht gleich über leckere Früchte, sondern muss erstmal in Gang kommen. Schneller als frohe Erwartungen sind dann die Sorgen. Und dies, noch bevor man Nachrichten aus der großen weiten Welt zur Kenntnis genommen hat! So nimmt das tatsächliche Leben oft ganz andere Wendungen, als lateinische Weisheiten uns das nahelegen wollen.
Mir hilft es, an solch einem Morgen dieses zu sehen: Mein Leben selbst ist ein Geschenk. Wie schön ist es, aufzuwachen und atmen zu können. Du lebst und das ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit! Ich finde es dann ermutigend, einfach das Geschenk des Lebens dankbar anzunehmen. Und zwar mitsamt seinen Schwierigkeiten und Nöten. Inmitten genau dieses Lebens einen hoffnungsfrohen Sinn zu bewahren: Das wär‘s doch! Gott ermutigt mich dazu, indem ich am Leben bin und heute einem anderen Menschen etwas Gutes tun kann. Was will man mehr?
Ihr Pastor Eichhorn
Quelle: Gemeindebrief Nr. 2 / 2023
Quelle: Gemeindebrief Nr. 2 / 2023